28.08.2016 – Auch und gerade Öffentlichkeitsarbeit will geübt und gelernt sein: Workshop „Interview in der Medien- und Pressearbeit“ des Kreisfeuerwehrverbands Böblingen
Es passiert eigentlich immer wie aus heiterem Himmel und immer genau dann, wenn niemand damit rechnet. So wie beispielsweise am Mittwoch, den 11. Juni 2014, als der Alarm der Brandmeldeanlage eines Böblinger Fachhandels für Sanitär in der Integrierten Leitstelle in Böblingen auflief. Drei Lagerhallen mit einer Gesamtfläche von rund 8.000 Quadratmetern standen im Vollbrand und beschäftigten bis zu 450 Einsatzkräfte tagelang; die Schadstoffwolke breitete sich bis zu 50 Kilometer weit aus und war im gesamten Landkreis gut sichtbar.
Oder am 6. September 1992, als bei einem Busunglück auf einem Autobahnzubringer in der Nähe von Donaueschingen im Schwarzwald 20 Menschen ums Leben kamen und 35 Personen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Damals war ein mit 53 Menschen besetzter Bus von der Fahrbahn abgekommen, die Rettungskräfte waren stundenlang mit den Bergungsarbeiten beschäftigt. Oder am 29. Mai 2016, als über Süddeutschland heftige Unwetter getobt haben, bei denen in Baden-Württemberg drei Menschen starben, darunter ein Feuerwehrmann bei einem Rettungseinsatz. Die Fluten richteten zudem erhebliche Sachschäden an, die Rettungskräfte der gesamten Region waren tagelang im Dauereinsatz.
„Hilfe, ich werde interviewt!“
Ganz gleich, ob Großbrand, Verkehrsunfall oder Naturkatastrophe: Zeitgleich mit den Rettungskräften erscheinen meist auch zahlreiche Medienvertreter mit an der Einsatzstelle, um live und vor Ort von dem Unglück berichten zu können. Man kann dann in diesen Fällen – als Einsatzleiter ebenso wie als Feuerwehr-Pressesprecher – jederzeit in die Situation kommen, den Medienvertretern sachkundig Auskünfte erteilen sowie Interviews vor der laufenden Kamera geben zu müssen.
Das ist einerseits eine ganz hervorragende Chance, die Arbeit der eigenen Rettungskräfte einer breiten Öffentlichkeit entsprechend positiv zu transportieren. Denn: Ein erfolgreich abgearbeiteter Feuerwehreinsatz wird von der Öffentlichkeit nur dann als erfolgreich wahrgenommen, wenn in den Medien entsprechend positiv darüber berichtet wird. Andererseits hat man – mangels entsprechender Übung und Erfahrung – in solchen Situationen oftmals auch irgendwie ein ungutes Gefühl. Nicht umsonst hat Robert Lemke, der frühere Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks und stellvertretende Programmdirektor der ARD einmal gesagt „Journalisten klopfen einem ständig auf die Schulter – auf der Suche nach der Stelle, wo das Messer am leichtesten eindringt.“
Do´s and don´t´s bei einem Radio- oder Fernseh-Interview
Was im Fernsehen meist ganz einfach und natürlich wirkt, erfordert sorgfältigste Vorbereitung und ein konsequentes Training. Denn ein Interview kann schnell auch nach hinten losgehen. Das weiß jeder, der schon einmal im Scheinwerferlicht vor einer Kamera gestanden oder gesessen hat. Nur absolute Ausnahme-Talente verfügen von Natur aus über die nötige Präsenz und das Charisma. Alle anderen können sich jedoch mit einem fundierten Coaching und regelmäßigen Übungen behelfen.
Zu letzterem haben sich 13 Öffentlichkeitsarbeiter, Kommandanten und weitere Feuerwehr-Führungskräfte des Kreisfeuerwehrverbands Böblingen entschlossen und in Gärtringen einen Workshop zum Thema „Interview in der Medien- und Pressearbeit“ organisiert und durchgeführt. Als Referenten konnte man Herrn Martin Jakubeit von der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal gewinnen. Herr Jakubeit war als Polizeipsychologe und Radio- und TV-Moderator aktiv und ist inzwischen an der Landesfeuerwehrschule Leiter für den Fachbereich Führungslehre/ Führungspraxis sowie zuständig für die Themen Ausbilden – Methodik/ Didaktik, Jugendfeuerwehr sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
In einem kurzen, theoretischen Block ging Martin Jakubeit auf wesentliche Punkte und Fragen der Öffentlichkeitsarbeit ein wie zum Beispiel den Umgang mit Journalisten, die passende Kleidung und die Wahl des Hintergrunds, die eigene Vorbereitung auf ein Interview, die Wirkung von Sprache und Mimik und Gestik sowie – ganz wichtig – außerdem auf einige rechtliche Fragestellungen der Öffentlichkeitsarbeit an der Einsatzstelle. Für alle Teilnehmer gab es bereits in diesem Theorie-Block „Aha-Effekte“, wie beispielsweise für Marco Santi von der Feuerwehr Gärtringen: „Zahlen, Daten und Fakten müssen im Vorfeld zwischen den Verantwortlichen aller Rettungsorganisationen genau abgesprochen werden.“ Denn es wirkt unglaubwürdig, wenn zwei lokale Tageszeitungen von ein und demselben Einsatz berichten – dabei jedoch unterschiedliche Fakten von mehreren Einsatzkräften zitieren. Wie schnell jedoch genau das passieren kann, konnte man bei den Praxisbeispielen des Workshops erahnen.
„Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung“
Der weitaus umfangreichere Part des exklusiv für den Kreisfeuerwehrverband Böblingen durchgeführten Workshops waren die praktischen Übungen eines „Radio-Interviews“ sowie „TV-Interviews“ und deren anschließende Durchsprachen. In diesen Übungen konnte jeder Teilnehmer seine Wirkung vor Kamera und Mikrofon ausprobieren, erleben und aufgrund der wertschätzenden Anregungen unseres Referenten letztlich auch verbessern.
Eine Erkenntnis war beispielsweise, dass man die Formulierungen einfach und bildhaft wählen sollte. Ganz entsprechend der Weisheit von Leonardo da Vinci, der bereits im 15. Jahrhundert „Einfachheit als höchste Stufe der Vollendung“ propagierte. Bei einem Interview sollten die Inhalte dementsprechend einfach und bildlich transportiert werden, damit sie in den Köpfen der Menschen hängen bleiben. Man spricht heute neudeutsch von „Storytelling“. „Lange Sätze verhindern das Atmen, die Stimme fängt unter Luftmangel an zu kiecksen. Bandwumsätze erfordern zudem viel Konzentration beim Sprecher und beim Zuschauer“, erläutert Martin Jakubeit von der Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg.
Außerdem sollte man sich darauf besinnen, welche Angaben man in einem Interview preisgeben kann – und welche besser nicht. Wenn man über ein Thema nicht reden möchte oder kann, dann sollte man nicht zu stottern beginnen, sondern im Interview selbstbewusst und höflich Gründe für das Ausweichen nennen, beispielsweise „Es ist noch zu früh, um das zu bewerten“. Das war für manchen Teilnehmer des Workshops ungewohnt. „Die ganze Schulzeit hinweg habe ich gelernt, dass es eher ungünstig ist, wenn man dem Lehrer auf seine Fragen nicht antwortet, meistens ging das zudem mit einer schlechten Benotung einher. In einem Interview resolut sagen zu dürfen, dass diese Frage in der aktuellen Situation nicht beantwortet werden kann, war für mich zunächst überraschend!“, erzählt Marco Santi nach den Übungen.
Emotionen zeigen oder schweigen
Alle Teilnehmer fanden den ganztägigen Workshop sehr hilfreich, alle haben sich für die weitere Öffentlichkeitsarbeit wertvolle Tipps notiert und Selbstbewusstsein auch für ungewohnte Fernseh- und Radio-Interviews aufgebaut. „Ich fand das Interview-Training eine sinnvolle Schulungseinheit für die Darstellung der Feuerwehr in der Öffentlichkeit. Praktische Übungen wie diese bringen den Teilnehmern Sicherheit und Routine vor laufenden Kameras und Mikrofonen“, meint beispielsweise Stefan Turata, der als Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Steinenbronn ebenfalls am Workshop teilgenommen hatte. Alle haben zudem die Erkenntnis und Motivation mit nach Hause genommen, in kleiner Runde ab und zu ein Interview zu simulieren und zu trainieren. Denn auch und gerade Öffentlichkeitsarbeit will geübt sein, ein Löschangriff klappt ja schließlich auch nur deshalb aus dem Effeff, weil er laufend im Feuerwehrdienst geübt wird.
Werbung und Öffentlichkeitsarbeit wird für Feuerwehren wichtiger.
„Klappern gehört zum Handwerk“, so sagt der Volksmund. Das Sprichwort meint damit jedoch nicht nur den Lärm, den ein Handwerker bei seiner Arbeit verursacht. Es geht vielmehr darum, die Umwelt auf sich und die eigenen Produkte aufmerksam zu machen. Werbung und Öffentlichkeitsarbeit wird gerade für Freiwillige Feuerwehren immer wichtiger. Denn ohne eine eigene, proaktive Öffentlichkeitsarbeit gerät man schnell in Vergessenheit. Oder – und das ist häufig noch gefährlicher – überlässt man die Berichterstattung und die Interpretation von Ereignissen anderen. Denn es gibt keine Nicht-Kommunikation. Auch wenn man keinen Ton sagt, sendet man Informationen aus. Alleine durch unsere Gesten, unser Handeln, kommunizieren wir. Wenn wir jedoch keine zusätzlichen Wort-Botschaften aussenden, überlassen wir die Interpretation der Geschehnisse Dritten. Und das kann schiefgehen bzw. sich in eine Richtung entwickeln, die uns nicht Recht sein kann.
Die interne und externe Öffentlichkeitsarbeit ist deshalb ein wichtiges und weites Betätigungsfeld für den Pressesprecher einer Feuerwehr. Deshalb wird im Landkreis Böblingen die Vernetzung und Weiterbildung der Feuerwehr-Pressesprecher voran getrieben. Seit 2015 organisiert man im Landkreis Böblingen regelmäßige Treffen, zu denen alle Pressesprecher der Feuerwehren eingeladen sind. Es gibt mindestens fünf Treffen pro Jahr. Aktuell werden Standards definiert, beispielsweise ein einheitlicher Medienverteiler, eine Standard-Ausstattung für Pressesprecher sowie Checklisten zu Themen wie „Wie schreibe ich eine Pressemitteilung“. Zudem organisiert man Weiterbildungsangebote, um voneinander und miteinander zu lernen. Beispielsweise wurde 2015 ein Fotografier-Workshop durchgeführt, man hatte die Pressesprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg zu Gast und hat beim SWR in Stuttgart hinter die Kulissen geschaut. Im Jahr 2016 stand eine Besichtigung der Brandhilfe-Redaktion ebenso auf dem Programm wie ein Interview-Training in Zusammenarbeit mit der Landesfeuerwehrschule, ein Redaktionsbesuch des Gäuboten sowie eine Besichtigung der Berufsfeuerwehr Stuttgart in Verbindung mit einem Gespräch mit dem hauptamtlichen Pressesprecher.
Gerd Zimmermann, Pressesprecher des Kreisfeuerwehrverbands Böblingen