11.09.2019 – Großbrand in der Vergärungsanlage Leonberg
Am 11.09.2019 kam es in Leonberg (Landkreis Böblingen) zu einem der größten und langandauerndsten Brandeinsätzen in der Geschichte der Leonberger Feuerwehr. Bei diesem Brandereignis wurde die durch die Landkreise Böblingen und Esslingen betriebene Vergärungsanlage zur Bioabfallverwertung nahezu vollständig zerstört. Mit einem großen überörtlichen und überregionalen Aufgebot fand dieser Einsatz auch in den Medien große Beachtung.
In der neben der Bundesautobahn A8 gelegenen Vergärungsanlage wird der gesamte Biomüll des Landkreises Böblingen zu Methangas und Kompost verarbeitet. Die Anlage verfügt über eine jährliche Kapazität von bis zu 30.000 Tonnen organischen Abfalls. Nach der Sortierung und Verkleinerung der angelieferten Bioabfälle, findet die Vergärung derselben in einem Gärturm (Fermenter) statt. Bei einer Höhe von fast 25 Metern besitzt er ein Volumen von 2.400 m3. Das dort entstehende Biogas wird in einem kugelförmigen Gasspeicher zwischengespeichert und anschließend in drei Blockheizkraftwerken in Strom und Wärme umgewandelt. Die entstehende Abwärme wird in der Anlage für Heiz- und Trocknungszwecke genutzt. Der produzierte Strom wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist.
Die Stadt Leonberg (48.723 Einwohner, Stand 2019) liegt an den Bundesautobahnen A8 und A81 im nördlichen Landkreis Böblingen. Das Stadtgebiet inklusiv der Teilorte erstreckt sich auf einer Fläche von 4.872 ha. Die Freiwillige Feuerwehr Leonberg besteht aus den vier Abteilungen Leonberg, Gebersheim, Höfingen und Warmbronn mit insgesamt 205 Angehörigen der Einsatzabteilungen. Zum Einsatzgebiet der Feuerwehr gehören unter anderem das Autobahndreieck Leonberg sowie der daran angrenzende 2.530 Meter lange Engelbergtunnel der Autobahn A81.
Mittwoch von 01:59 Uhr bis ca. 03.00 Uhr
Alarmierung, Lage beim Eintreffen und Ersteinsatzphase
Am 09.11.2019 wird die Feuerwehr Leonberg Abt. Leonberg um 01:59 Uhr mit dem Stichwort 2ba und der Meldung „Feuerschein, Eltingen Richtung Seeäckerstraße“ zu einem unklaren Brand außerorts der Stufe 2 alarmiert. Der Feuerschein kann schon auf der Anfahrt zum Feuerwehrhaus durch die alarmierten Kräfte bestätigt werden. In östlicher Richtung leuchtet der Himmel grellorange und es ist eine Rauchsäule großen Ausmaßes zu erkennen. Entsprechend der Alarm- und Ausrückeordnung rücken folgende Fahrzeuge der Abteilung Leonberg aus: KdoW mit dem Einsatzleiter vom Dienst, ELW mit Zugführer vom Dienst und Führungsassistent, HLF 20-2 und TLF 4000.
Auf Grund der Richtung des Feuerscheins und der gewaltigen Rauchwolke wird den anrückenden Einsatzkräften schnell klar, dass es sich bei dem Brandobjekt mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Vergärungsanlage des Landkreises Böblingen handelt. Die ausgerückten Fahrzeuge entscheiden sich daher für eine Anfahrt über die Autobahn 8. Die Vergärungsanlage liegt auf einer ehemaligen Mülldeponie unweit der Autobahn und ist über eine Behelfsausfahrt erreichbar. Die Fahrtstrecke von der Wache zum Brandobjekt beträgt etwa sieben Kilometer.
Der diensthabende Einsatzleiter lässt durch die Leitstelle Böblingen noch auf der Anfahrt Vollalarm für alle vier Abteilungen der Feuerwehr Leonberg auslösen. Zehn Minuten nach dem ersten Alarm erreichen der Einsatzleitwagen und das erste Löschfahrzeug (HLF 20-2) die Einsatzstelle. Dort versperrt allerdings ein massives Schiebetor die Einfahrt auf das Betriebsgelände. Da im gesamten Areal der Strom ausgefallen ist und das Tor über keine Notbetätigung von Hand verfügt, muss dieses erst mit einem Motortrennschleifer geöffnet werden. Um 02:15 Uhr wird eine Erhöhung des Einsatzstichworts auf 3ba (Brand außerorts Stufe 3) veranlasst. Dies umfasst neben dem Gesamtalarm für die Feuerwehr Leonberg die Alarmierung der GW-Mess aus Herrenberg und Sindelfingen sowie des ELW 2 des Landkreises Böblingen inkl. Führungsgruppe und KBM. Zusätzlich wird das TLF 4000 aus Herrenberg, der AB-Wasser/Sonderlöschmittel aus Böblingen, sowie der SW 2000 und ein LF 20 aus Weil der Stadt nachgefordert.
In der Zwischenzeit führt die Einsatzleitung eine erste Lageerkundung durch. In drei miteinander verbundenen Hallen mit einer Gesamtlänge von 160 Metern und einer Breite vom 30 Metern wütet ein so starker Brand, dass im größten Hallenteil bereits die Dachkonstruktion zusammengestürzt ist. Durch die enorme Hitze drohen die nur acht Meter entfernte, 120 Meter lange ehemalige Kompostierhalle, der 25 Meter hohe Gärturm, der Gasspeicher mit 10 Meter Durchmesser und 780 m3 Volumen sowie die Blockheizkraftwerke ebenfalls in Flammen aufzugehen. Außerdem befinden sich verschiedene Kraftstoff- und Gastanks sowie mehrere große Radlader und Traktoren im unmittelbaren Gefahrenbereich des Brandes. Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht bekannt, dass hinter der brennenden Halle ein Biofilter, der aus Holzhackschnitzel besteht, auf einer Fläche von über 600 m2 ebenfalls komplett in Flammen steht. Verschärft wird die Situation durch die aus früheren Bränden bekannte Tatsache, dass die Anlage über keine unmittelbar auf dem Betriebsgelände liegende Löschwasserversorgung verfügt. Vielmehr ist es vorgesehen, das Löschwasser über Schlauchleitungen aus einer fast 400 Meter entfernten und ca. 20 Meter tiefer liegenden Zisterne zu pumpen.
Die Einsatzkräfte sind daher in der Ersteinsatzphase auf das in den Fahrzeugen mitgeführte Löschwasser angewiesen. Mit diesem wird versucht, ein Übergreifen des Brandes auf noch nicht betroffene Anlagenteile zu verhindern. Größte Sorge bereiten der Einsatzleitung der teilweise mit Gas gefüllte Gärturm sowie die über das Gelände verteilten Gas- und Kraftstofftanks. Alle Einsatzkräfte werden daher angewiesen, nach Möglichkeit nur aus der Deckung heraus zu arbeiten und auch in größerer Entfernung von den Gebäuden ihre vollständige Schutzausrüstung zu tragen. Der kugelförmige Gasspeicher ist während der Erstmaßnahmen der Feuerwehr bereits in einem großen Feuerball abgebrannt. Das dort weiterhin aus dem Gärturm entweichende Gas hat sich entzündet.
Für die Riegelstellungen kommen mehrere C-Rohre sowie ein Wasserwerfer zum Einsatz, welcher insbesondere den Gärturm schützen soll. Nachdem man sich Zugang zu den Fahrzeugschlüsseln im Betriebsgebäude geschaffen hat, gelingt es einige Traktoren und Radlader in Sicherheit zu bringen.
Mittwoch von ca. 03:00 Uhr bis 06:11 Uhr
Wasserversorgung und Brandbekämpfung
In der zweiten Phase des Einsatzes wird durch die nachrückenden Einsatzkräfte eine doppelte Schlauchleitung von der Zisterne zum Brandobjekt gelegt. Hierdurch ist die Wasserversorgung vorerst gesichert und neben der Riegelstellung kann nun auch in begrenztem Umfang mit der Brandbekämpfung begonnen werden. Immer wieder kommt es innerhalb der brennenden Hallen zum lautstarken Zerknall von Gasflaschen und anderen Druckbehältern. Die größeren Gastanks auf dem Gelände sind bislang noch intakt. Gegen 03:00 Uhr ist allerdings an einem durch das Feuer unzugänglichen Tank mit 7.000 Litern Fassungsvermögen eine immer größer werdende Flamme zu sehen, welche mutmaßlich am Sicherheitsventil austritt. Da wegen des immer noch bestehenden Wassermangels keine ausreichende Kühlung des Tanks möglich ist, explodiert dieser gegen 03:10 Uhr mit einem bis nach Leonberg zu hörenden Knall in einem großen Feuerball.